Ein Bach in Bewegung – Zufluss zur Isen auf dem Weg zur neuen Strukturvielfalt

Dort, wo Bagger, Weidenruten und helfende Hände zusammentreffen, wächst Neues: Mit natürlichen Materialien wie Holz und Kokos wird das Bachufer stabilisiert – ein Beispiel dafür, wie Technik und Natur Hand in Hand arbeiten.

Ingenieurbiologische Maßnahmen

Von der Analyse zur Umsetzung

Als im Mai 2025 die erste FLOW-Beprobung an einem Zufluss zur Isen durchgeführt wurde, war vieles noch Zukunftsmusik. Wissenschaftliche Erkenntnisse, erste ökologische Einschätzungen, die Neugier auf das verborgene Leben im Wasser – all das legte den Grundstein für das, was nun sichtbar wird: konkrete Schritte zur Renaturierung.

Bachlauf, Ingenieurbiologische Maßnahmen
Bachlauf - Ingenieurbiologische Maßnahmen
Barriere, Bachlauf

Zwischenbilanz: Gespräche, Entscheidungen, neue Wege

Seit Mai ist viel passiert. Fachleute aus unterschiedlichen Disziplinen – von der Fischereifachberatung über das Wasserwirtschaftsamt bis hin zu Experten für den streng geschützten Steinkrebs – haben gemeinsam mit der Gemeinde beraten, was möglich und was notwendig ist.

Ein entscheidender Moment: Das ursprünglich für den Rückbau vorgesehene Querbauwerk muss erhalten bleiben. Der Grund dafür liegt im Artenschutz: Hinter dieser Barriere hat der Steinkrebs einen Rückzugsraum gefunden, den es unbedingt zu bewahren gilt. Gleichzeitig öffnet sich ein Stück oberhalb eine neue Chance: Die Durchgängigkeit des Baches wird nicht durch Entfernen, sondern durch eine sogenannte „raue Rampe“ wiederhergestellt. Die Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt (WWA) und der Fischereifachberatung hat bereits stattgefunden.

Abgesehen von der Wiederherstellung der Durchgängigkeit waren zusätzliche Maßnahmen notwendig: Direkt am Bach verläuft eine Trinkwasserhauptleitung, die besondere Sicherheitsvorkehrungen erfordert. In unbebauten Gebieten wird ansonsten meist nicht in die natürliche Gewässerdynamik eingegriffen, und natürliche Uferabbrüche bleiben erhalten.

Es sind diese Entscheidungen im Spannungsfeld von Schutz und Entwicklung, die den Prozess prägen. Nicht alles, was technisch machbar ist, darf umgesetzt werden – und genau darin liegt die Qualität des Projekts: Natur und Mensch denken gemeinsam.

Ingenieurbiologische Maßnahmen
Besprechung, Ingenieurbiologische Maßnahmen
Georg Hermannsdorfer, Ingenieurbiologische Maßnahmen
Georg Hermannsdorfer, Ingenieurbiologische Maßnahmen

Mitte Oktober: Der Bagger kommt – Hände im Wasser, Wurzeln im Boden

Wenn sich der Bauhof auf den Weg zum Bach macht, ist es kein alltäglicher Einsatz. Ein einzelner Bagger reicht, um die entscheidenden Arbeiten zu stemmen – und doch hat sein Einsatz eine tiefere Bedeutung: Hier beginnt die Landschaft, sich sichtbar zu verändern.

Vor Ort übernimmt die Maschine genau das, was für Menschen zu schwer wäre: Pfähle ins Wasser rammen, Baumstämme transportieren, Materialien bewegen.

Die Szene wirkt fast unscheinbar – ein Baggerfahrer, ein Experte, einige helfende Hände. Doch für den Bach bedeutet sie: Bewegung, Aufbruch, ein neuer Flusslauf.

Weiterhin sichtbar wird die Veränderung, wenn das Fluss.Frei.Raum-Team selbst anpackt. Unter der Leitung von Georg Hermannsdorfer rückt der Bauhof der Gemeinde gemeinsam mit dem Fluss.Frei.Raum-Team an.

Ingenieurbiologische Maßnahme

Holzpflöcke werden im Bachbett verankert – die Basis für die ingenieurbiologischen Ufersicherungen

Baggerschaufel im Bach

Mit der Baggerschaufel werden Pfähle tief ins Bachbett gerammt und fixiert

Ingenieurbiologische Maßnahmen

Raubäume und Äste werden ausgerichtet – sie bremsen die Strömung und schaffen Lebensräume

Dann wird es lebendig

Entlang des Ufers werden Weidenzweige zu dichten Flechtwerken verflochten. Sie treiben nach einiger Zeit aus, und nach etwa zwei bis fünf Jahren sind ihre Wurzeln so stark gewachsen, dass sie das Ufer auf natürliche Weise stabilisieren und festigen.

Raubäume

Zwischen den Weiden liegen sogenannte Raubäume – dicht benadelte Baumwipfel von Nadelbäumen – meist Fichten, die mit Holzpflöcken im oder am Ufer verankert werden. Sie halten rund zehn bis fünfzehn Jahre, bremsen die Strömung, schützen das Ufer und bieten Fischen und anderen Wasserlebewesen wertvolle Rückzugsräume.

Raubaum, dicht benadelter Baumwipfel von Nadelbäumen

Ein dichter, benadelter Wipfel – so sieht ein idealer Raubaum aus, der im Wasser Halt und Struktur bietet und auch Sedimente fängt

Ingenieurbiologische Maßnahmen

In Handarbeit werden die Baumstämme zwischen Holzpflöcken befestigt – sie bremsen die Strömung und schützen die Böschung

Ingenieurbiologische Maßnahmen

Schräg eingeschlagene Querpfähle verbinden und sichern gegen das Aufschwimmen des Holzes sowie gegen die Kraft des Wassers

Umsetzung Ingenieurbiologische Maßnahme

Nach der Befestigung werden die Pfähle gekürzt – das fertige Uferbauwerk bietet deutlich eine neue Struktur

Weidengeflecht

Raubäume, Weiden und junge Pflanzen bilden ein dichtes Geflecht – eine lebendige, natürliche Ufersicherung

Faschine

Eine weitere Maßnahme ist die Faschine – walzenförmige Bündel aus langen Weidenzweigen, die fest zusammengebunden werden. Sie werden entlang des Ufers eingebaut, um Böschungen zu stabilisieren und den Boden vor Erosion durch Wasser und Wind zu schützen.

Weidenzeweige

Weidenruten bilden das natürliche Ausgangsmaterial für die spätere Faschine

Ingenieurbiologische Maßnahme

Auf einfachen Holzgestellen entsteht die Vorrichtung, auf der die Faschine gebunden wird

Ingenieurbiologische Maßnahme

Von Hand gefertigt: Unter Anleitung von Georg Hermannsdorfer werden Weidenzweige gebündelt und fest verzurrt

Ingenieurbiologische Maßnahme

Ein nachhaltiger Beitrag für unsere Gewässer: Gemeinsam tragen die Kolleginnen die rund vier Meter lange Weidenfaschine zum Bach

Ingenieurbiologische Maßnahmen

Die gebündelten Weidenruten liegen nun im Wasser und werden mit Holzpflöcken fixiert – ein natürlicher Schutz gegen Erosion

Kokossenkwalze

Eine besonders stabile Verbindung aus Fichtenholz, Steinen und einer Kokosmatte bildet die sogenannte Kokossenkwalze. Sie wird zu einem kompakten Bündel zusammengebunden, zur Baustelle getragen und dort fest verankert – ein robuster Schutz gegen Erosion und Abtrag.

Die Walze entsteht schichtweise: Über der Kokosmatte werden die ersten Stämme eingebracht und ausgerichtet

Ingenieurbiologische Maßnahme

Im nächsten Schritt werden Steine aufgelegt – sie beschweren die Konstruktion und geben zusätzliche Stabilität

Ingenieurbiologische Maßnahme

Mehrlagiger Aufbau: Stämme, Äste, Steine und Kokosmatte werden zu einer stabilen Einheit verschnürt

Ingenieurbiologische Maßnahme

Beim Einbau wird Hand angelegt: Mit Holzpflöcken wird die Walze im Uferbereich fixiert und gesichert

Ingenieurbiologische Maßnahme

Technische und ökologische Gestaltung im Einklang: Die fertig eingebaute Walze schützt das Ufer vor Erosion und Abtrag

Sporne – aus Wurzeln, Weiden oder Holz gebaute Vorsprünge – ragen schräg in den Bach hinein. Sie lenken den Wasserstrom behutsam, verhindern Unterspülungen und helfen, dass sich der Flusslauf auf natürliche Weise einpendelt.

Berme

Mit der Baggerschaufel wurde außerdem eine flache Berme angelegt – eine kleine Stufe am Ufer, die den Wasserlauf beruhigt und Platz für neues Grün bietet. Dort wurden junge Erlen und Traubenkirschen gepflanzt: Sie beschatten den Bach, sichern das Ufer dauerhaft und lassen die neu gestaltete Uferzone lebendig weiterwachsen.

„Man sieht richtig, wie das Ufer wieder zu leben beginnt“, sagt Martin Baumgartner von der Gemeinde Markt Isen. „Mit den Weiden und Raubäumen entsteht ein stabiles, natürliches System – und das ganz ohne Steine und Beton.“

Mit der Baggerschaufel wurde eine flache Berme angelegt

Mit der Baggerschaufel entsteht eine flache Berme – eine Stufe am Ufer, die den Wasserlauf beruhigt, Platz für neues Grün schafft und für eine bessere Verbindung zwischen Gewässer und Ufer sorgt

Bepflanzte Berme mit jungen Erlen

Auf der frisch angelegten Stufe liegen junge Erlen bereit – die Pflanzarbeiten können beginnen

Uferbepflanzung mit Erlen

Sorgfalt gefragt: Die jungen Bäume werden von Hand gesetzt und fest eingedrückt

Erlen werden gepflanzt

Die Erlen dürfen etwas tiefer gepflanzt werden – so können sie sich besser im feuchten Boden verwurzeln

Erlen werden gepflanzt

Erlen sind wegen ihrer Nässetoleranz und ihres hohen Wasserbedarfs besonders gut geeignet – sie festigen das Ufer und spenden künftig Schatten

Ingenieurbiologische Methoden

Theorie und Praxis vereint – sorgen so dafür, dass Naturkräfte nicht gebremst, sondern in ihrem eigenen Rhythmus gestärkt werden.

Es ist ein Moment, in dem Technik und Handarbeit, Wissen und Intuition ineinandergreifen – wo Muskelkraft nicht reicht, hilft der Bagger. Wer dabei ist, spürt: Hier entsteht nicht nur ein strukturreicheres Gewässer mit stabilen Ufern – hier wächst ein lebendiger Raum für Tiere, Pflanzen und Menschen.

„Man kann immer schauen, wo und ob etwas geht – denn es geht immer etwas“, sagt Georg Hermannsdorfer. Ein Satz, der genau beschreibt, was hier gelungen ist: die Natur arbeiten zu lassen – mit ein wenig menschlicher Unterstützung.

Ingenieurbiologische Maßnahmen
Ingenieurbiologische Maßnahmen

Ausblick: Ein Bach mit Zukunft

Nach den Maßnahmen bleibt der Blick auf das, was sich verändert hat. Vorher-Nachher-Bilder zeigen, Strukturen im Wasser, lebendige Ufer, mehr Raum für Artenvielfalt – all das sind sichtbare Erfolge.

Doch noch wichtiger ist die Perspektive: Was hier am Zufluss zur Isen erprobt wird, kann auch anderswo Schule machen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Gemeinde, Fachstellen und dem Fluss.Frei.Raum-Team hat gezeigt, wie aus gemeinsamer Verantwortung greifbare Lösungen werden.

Bachlauf